Saturday, December 19. 2009
So funktioniert die Anti-KiPo-Zensur (nicht)
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Es ist Montag, wir sind mitten in in der Sperrvertragslaufzeit, laut § 2 I kommt gegen 10:00 Uhr die neue Sperrliste des BKA.
Nach § 3 IV muß der ISP nun unverzüglich, aber spätestens innerhalb der nächsten sechs Stunden diese neue Liste umsetzen.
Innerhalb dieser sechs Stunden soll dann wohl auch die nach § 3 III erlaubte Überprüfung via “Whitelist €? stattfinden.
Das ändert aber nichts daran, daß um 10:00 die neue Liste durch das BKA bereitgestellt wurde. Aufgrund von § 3 VI ist daher in diesem Moment die letzte Liste ungültig und ist unverzüglich zu löschen! Von dieser Automatik gibt es keine Ausnahme!
Als Jurist weißt Du ja, daß “unverzüglich” bedeutet “ohne schuldhaftes Zögern”, was - je nachdem, worum es geht - Fristen bis in den Tagesbereich erlaubt. Hier wird “unverzüglich” demnach so auszulegen sein, daß erst nach Abschluss der Prüfung der neuen Liste die nunmehr ungültige vorherige Liste zu löschen ist - wobei der Zusammenhang der Vorschriften nahelegt, dass mit “Löschen” das Abschalten der entsprechenden Sperren, nicht aber die Löschung der abgelegten Liste selbst gemeint sein wird. Es gibt ja auch keinen Grund, diese unverzüglich zu löschen.
Klarere und stärkere gesellschaftliche Signale als die Strafbarbeit eines Verhaltens (also das ultima ratio staatlichen Handelns) kann der Staat garnicht setzen!
“Der Staat” ist aber nicht “die Zivilgesellschaft”, und die strafrechtlichen Normen können durchaus mit entgegengesetzen gesellschaftlichen Signalen (“Kavaliersdelikte” wie Schwarzfahren und Steuerhinterziehung, Befürwortung organisierter Unverantwortlichkeit bei Onlinediensten zwecks Ermöglichung von Straftaten im Bereich der Urheber- und verwandten Schutzrechte und der Äußerungsdelikte) koexistieren.
-thh
Als Jurist weißt Du ja, daß “unverzüglich ? bedeutet “ohne schuldhaftes Zögern ?, was - je nachdem, worum es geht - Fristen bis in den Tagesbereich erlaubt.
In der Tat. Dieser Gedanke kam mir dann heute Nacht auch.
Ich bin wohl in die Falle getappt, daß für das Umsetzen der neuen Liste ein “unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von sechs Stunden” vereinbart wird, während das Löschen nach Bereitstellung “unverzüglich” gefordert wird.
Hier wird “unverzüglich ? demnach so auszulegen sein, daß erst nach Abschluss der Prüfung der neuen Liste die nunmehr ungültige vorherige Liste zu löschen ist -
Diese Auslegung ist sicher möglich, liegt aber dem Wortlaut des Vertrages nach, nicht so nahe: Wenn einerseits für das Umsetzen extra eine in diesem Kontext sehr großzügige Umsetzungsfrist genannt wird, dann aber bei einem anderen Verfahrensschritt nur noch von unverzüglich die Rede ist, dann scheint mir das enger zu sein.
Nach Sinn und Zweck ist diese aus dem Wortlaut hergeleitete Auslegung natürlich kontraproduktiv, da - wie ich gezeigt habe - damit das ganze System ja nicht sauber funktioniert. Denmach ist Deine Auslegung wohl die vom Autor gemeinte.
Eine handwerklich saubere Lösung wäre aber sowas:
“Nicht mehr gültige Sperrlisten sind vom ISP entsprechend Absatz 4 durch die aktuelle Sperrliste zu ersetzen und danach unverzüglich zu löschen.”
Damit würden gewollte systemische Abhängigkeiten im Ablauf gleich sauber aufgezeigt.
Also Löschen ist Löschen. Für das, was Du hier meinst, hat der Vertrag andere Begrifflichkeiten:
“Sperrmaßnahmen” oder “effektive Sperrung”
sauber wäre - so Du recht hast:
"Mit der Bereitstellung einer aktualisierten Sperrliste des Bundeskriminalamtes verliert die bisherige Sperrliste ihre Gültigkeit, ... Sperrmaßnahmen aufgrund nicht mehr gültiger Sperrlisten sind unverzüglich aufzuheben.
oder es hätte völlig ausgereicht,:
“durch die aktuelle Sperrliste zu ersetzen.” (ohne jedes Löschen - wenn hier wirklich kein Löschen gemeint sein solle)
Bei dem Geheimhaltungsinteresse, daß in den übrigen Paragraphen an den Tag gelegt wird, wenn es um die Liste geht (die ja immerhin ein staatlich geprüftes Internet-KiPo-Telefonbuch darstellt, also Interesse wecken kann), sehe ich das eigentlich andersrum.
“Der Staat ? ist aber nicht “die Zivilgesellschaft ?, und die strafrechtlichen Normen können durchaus mit entgegengesetzen gesellschaftlichen Signalen (“Kavaliersdelikte ? wie Schwarzfahren und Steuerhinterziehung, Befürwortung organisierter Unverantwortlichkeit bei Onlinediensten zwecks Ermöglichung von Straftaten im Bereich der Urheber- und verwandten Schutzrechte und der Äußerungsdelikte) koexistieren.
Der Satz hieß:
Es bedarf eines klaren gesellschaftlichen Signals, daß ... geächtet werden müssen.
a) steht da nichts von Zivilgesellschaft, sondern “gesellschaftliches Signal”
b) ist das ganze hier auch gerade kein Signal der Zivilgesellschaft, denn das ganze Stopschild-Zeugs ist originär staatliches Handeln (ausgelagert in der Ausführung aber nicht in Planung und Forcierung an private Hilfssheriffs) - Ein Signal der Zivilgesellschaft wären zB Demonstrationen, Lichterketten etc. aber keine Eingriffe in Grundrechte.
c) Siehst Du in diesem Fall “entgegengesetze gesellschaftliche Signale” daß (echte) KiPo gesellschaftlich nicht geächtet wäre? Diverse Berichte, was alleine der Verdacht mit KiPo in Verbindung zu stehen, im gesellschaftlichen Umfeld der Verdächtigen auslöst, bestätigt doch eher das Gegenteil, oder?
d) Der Satz will suggerieren, daß die Gesellschaft als solche (und damit ohne den Gegensatz Staat/Zivilgesellschaft) bisher KiPo im Internet nicht geächtet hätte und wir nun endlich mitdemFußaufstampf was tun müßten! Und genau das ist eben nicht der Fall, die Gesellschaft hat - in Form ihrer verfaßten Struktur als Staat - bereits das schärfte Schwert ausgepackt, das Strafrecht!
Wenn man meint, daß es zur Umsetzung der vorhandenen Ächtung neuer/weiterer technischer Maßnahmen bedarf, dann kann man das grundsätzlich diskutieren, hier wurde und wird aber (weil es eben als zusätzliches Element schlicht ungeeignet und unverhältnismäßig ist) stets die Moralkeule “wir müssen ein Zeichen setzten” geschwungen. Und das stimmt eben nicht: Zeichen hat der Staat durch das Strafrecht also in seiner eindeutigsten und schärfsten Form bereits gesetzt.